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Island.
Messermacher Palli Kristjánsson
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Text:
Siglinde Fischer
Fotos: Walter Steinberg
Unsere Island Film- und Foto Dokumentation auf DVD und Blue-ray
gibt es im Shop
Unter Messern - ein Tag bei Palli Kristjánsson
Wir blicken uns um: An den Wänden Vitrinen voller Messer, auf
Regalen und Anrichten Fundstücke aus der Natur, wie ich sie nicht
schöner hätte sammeln und drappieren können: Geweihe,
ein Biberschädel, ein Rabenbein, Pottwalzähne, der zähnestarrende
vertrocknete Kopf eines Seewolfs, Schafshörner, Walkknochen.
Mittendrin im Raum eine hufeisenförmige Arbeitsfläche, darauf
ein scheinbar wüstes Chaos an Holz- und Hornstücken, an
Lederfetzen, Werkzeugen. Eine Theke ragt hinter der Arbeitsfläche
auf. Sie hindert Werkzeuge und Arbeitsmaterialien daran, vom Tisch
herunterzufallen. Auf der Theke liegen säuberlich in Holzfächern
fertige Messer:
Wir sind bei Palli Kristijánsson zu Besuch, dem einzigen professionellen
Messermacher Islands. Er stellt bis auf die Klingen alles selbst her.
Die Klingen sind oft Replikas alter Stücke aus der Wikingerzeit,
manchmal auch Damaszenermesser, gefertigt von Handwerkern in Skandinavien,
Südeuropa, Pakistan - oder industriell, für die preiswerteren
Messer. Die Klingen hängen an einer metallenen Schiene direkt
über dem Liegeplatz von Pallis Hund neben seinem Arbeitsplatz.
Starke Magnete sorgen dafür, daß sie dort bleiben, bis
Palli sie braucht.
Seit dreißig Jahren lebt Palli in Mosfellsbeir dort, wo sich
früher die Wollfabrik des Städtchens befand. Die Wollfabrik
steht nun ein paarhundert Meter entfernt, und Palli hat sich hier
sein Haus nach seinen Träumen gebaut. Jedes seiner Messer ist
ein Original; Massenware ist ihm ein Graus: "Ich hatte mal eine
Gruppe deutscher Geschäftsleute da", erzählt er, "das
war zu Zeiten, als es der Wirtschaft noch gut ging. Die wollten für
alle ihre höheren Angestellen das gleiche Messer, insgesamt siebzig
Stück. Ich habe dankend abgelehnt, was für Irritation sorgte:
Wissen Sie, wieviel Geld das ist? fragte der Chef der Delegation."
Palli grinst. "Geld ist nicht alles.70mal das gleiche Messer
machen, das ist nicht in meinem Sinn."
An
manchen Messern arbeitet er schon seit vielen Jahren. Da ist ein
Damaszenermesser, dessen Griff in einem Adlerkopf endet, geschnitzt
in einen Pottwalzahn. Uraltes schwarzes Holz, das von Island stammt,
schließt sich an. "Ich muß noch die Scheide dazu
machen", erzählt Palli. Ich frage, ob schon jemand daran
Interesse hatte. "Oh ja, da wartet einer schon seit vier Jahren
darauf, daß das Messer fertig wird," erzählt er.
Qualität braucht eben seine Zeit.
In derselben Vitrine liegt ein weiteres Messer, ein kleines. Der
Griff ist fleischfarben-rosa und weist eine höckrige Kante
auf: Es handelt sich um ein Langustenbein. "Das hab' ich von
einem Restaurantbesuch mitgenommen. Überhaupt gucken mich die
Leute manchmal ganz schön komisch an, wenn ich mir nach einem
Essen sowas oder auch die Knochen einpacken lasse." Wie gut
ich das nachvollziehen kann! Endlich jemand, der genauso bescheuert
ist wie ich, was das Sammeln und Mitnehmen von tierischen Fundstücken
anbelangt. Ob das auf seine Kinder abgefärbt hat, will ich
wissen. Die Antwort ist ein klares JA! - sie sammeln auch. Palli's
Augen leuchten.
Oft
näht Palli aus isländischem Rindleder die Messerscheiden
nach seinem eigenen Entwurf, der dem Lederköcher eine anmutig
geschwungene Naht verleiht. Er fertigt auch Messer auf Bestellung,
wobei seine Kunden ihm immer einen gewissen Spielraum lassen. Bislang
ist er aber noch auf keinem Messer sitzengeblieben. Wundern tut
uns das nicht.
Neugierig
geworden? Palli und seine Messermacherei finden Sie im Internet
unter www.knifemaker.is
- und beim nächsten Islandbesuch in Mosfellsbeir nordöstlich
von Reykjavik.
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