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Morgens begrüßen uns grunzend drei neugierige Fischotter
- und Wind und Regen. Bei finsterem Himmel und Westwind ziehen wir
los, passieren zwei Lachsbäche. Später unterbrechen immer
wieder Buchten das meist felsige Ufer. Angespültes Treibholz
zeigt uns, wo hier bei Sturm die Hochwassermarke liegen kann. Selbst
mittags schafft es das Thermometer nicht über 10°C; Wind
und Wellen nehmen weiter zu. Licht- und Wolkenstimmung sind dramatisch,
doch wir müssen uns auf das Wasser unter uns konzentrieren und
können das Schauspiel nicht genießen. Unglaublich viele
Pilze finden wir - nicht nur an diesem Abend auf unserer Insel. Im
Südwesten erheben sich der Serpent Tongue und der Hook Gletscher
über dem Tal des Savonoski River.
Nachts war es noch sternenklar, doch morgens begrüßt uns
wieder einmal "graue Suppe". Nichts ist mehr vom Bergpanorama
zu sehen, das uns umgibt. Im Lauf des Tages erreichen wir zwei namenlose
Bäche, die der Bezeichnung "Lachsbach" alle Ehre machen.
Viele Rotlachse tragen bereits großflächige gelblich-weiße
"Schimmel"-Flecken auf dem Körper; sie verrotten bei
lebendigem Leib. Walter fängt für's Abendessen ein Weibchen,
das noch gut in Schuß ist. Bären sehen wir nicht, nur ihre
Spuren. Bald bricht die Sonne durch die Wolkendecke und wir paddeln
im Sonnenschein entlang meterhoher Steilwände. Eine lange, schmale
Kieszunge, die eine Lagune vom See trennt, dient uns als Lagerplatz.
Prompt zeigt sich, als ich gerade den Lachs zubereite, ein Braunbärgesicht
am Festland. Wir rufen und rudern mit den Armen in der Luft - und
auch der Bär verhält sich "richtig": Er schaut
eine Weile, zieht dann halb um die Lagune und verschwindet endgültig
im Wald. Eineinhalb Stunden später fasziniert uns ein grandioser
Sonnenuntergang hinter einem namenlosen Berg am Westufer.
Regen
und Wind, der in kräftigen Böen an unserem Zelt zerrt,
begrüßen uns morgens. Als ich beim Frühstück
mit dem Rücken zum Zelt stehe, bläst eine enorme Böe
von der Lagune heran und reißt in Sekundenbruchteilen das
gesamte Zelt aus der Verankerung, schleudert ein Boot herum. Das
Zelt kann ich halten, aber dessen Inhalt inklusive der Schlafsäcke
fliegt in den See. Ich hechte Schlafsäcken und meinem Hemd
hinterher; eine Isomatte treibt hinaus. Walter fängt sie per
Boot ein; ich fixiere vor Ort sämtliche potentiellen Flugobjekte.
Das war also ein Williwaw! Später reißen immer wieder
Böen an unseren Paddeln.
Das Delta des am Ostende des Grosvenor Lake einmündenden Hardscrabble
Creeks ist eine einzige sumpfige Graslandschaft. Schon hunderte
Meter davor ist das Wasser kaum 30cm tief. Etwa 400m vor dem Seeende
liegt noch im waldigen Teil des Südufers der felsumrahmte Ursprung
des Verbindungskanals zum Savonoski River. Wald prägt sein
Ufer, nur selten finden sich Grasabschnitte mit Bärenpfaden.
Erst kurz vor Erreichen des Savonoski Rivers setzt Strömung
ein. Dann eine erste Durchmischung mit trübem Gletscherwasser,
und innerhalb weniger Minuten finden wir uns in der unglaublich
chaotischen Flußlandschaft des Savonoski Rivers wieder. Dessen
grauen Fluten ziehen mit Macht durch ein unüberschaubares Labyrinth
aus entwurzelten Bäumen, Kiesbänken und Flussarmen; wir
schätzen die Strömung auf mindestens 10km/h. Immer wieder
durchbricht das tiefere Wasser kraftvoll das Oberflächenwasser.
Wir beschließen bald, auf einer riesigen Insel das Lager aufzuschlagen,
um unsere nassen Sachen zu trocknen. Die ganze Insel ist übersät
von Bärenspuren. Später abends taucht die Sonne den Wald
des gegenüberliegenden Flussufers in goldenes Licht. Ein Bär
schlendert dort stromauf, nimmt von uns keine Notiz.
Walter
sieht morgens aus, als sei er in der Mauser - sein Daunenschlafsack
muß wohl irgendwo ein Loch haben. Wir starten bei 8°C
und leichtem Wind und mit mulmigem Gefühl, denn wir wissen
nicht, was dieses reißende Chaos vielleicht noch an Überraschungen
für uns bereithält. Doch mit jedem Kilometer schwinden
unsere Bedenken; trotz der überall im Fluß herumliegenden
Baumleichen sind die Flußarme immer so breit, daß wir
genügend Zeit zum Manövrieren haben. Auch nimmt das Tempo
des Flusses allmählich ab. Wir kommen zügig voran, ohne
auch nur einen einzigen weiteren Bären zu sehen. Schnell rücken
die Bergflanken von Mount La Gorce und Mount Katolinat näher.
Besonders schroff fällt zur Linken der Grat des Mount Katolinat
ab. Weil wir die Flußlandschaft nicht so schnell verlassen
möchten entscheiden wir uns, eine weitere Nacht auf einer riesigen
Sandbank zu verbringen, unmittelbar im gemeinsamen Mündungsdelta
von Ukak und Savonoski River in den Iliuk Arm. Die Sandbank ist
übersät von vulkanischem Lavagestein, rundgeschliffen
durch den Fluß, der es hierher gebracht hat. Ein ausgetrampelter
Bärenhighway führt unmittelbar am Ufer entlang. Nachts
heulen Wölfe.
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